Co-Trainer von Bosnien-Herzegowina: Lasse Boesen. Foto: Sascha Klahn
Sein Engagement als Co-Trainer von Bosnien-Herzegowina übersteigt allerdings alles bisher dagewesene – aus seiner Sicht leider im negativen Sinne. Es verwunderte daher umso mehr, dass Boesen bestens gelaunt war, als wir ihn während der Vorrunde im Teamhotel in Trondheim trafen. Er lachte viel und selbst das Aus nach drei Niederlagen gegen Norwegen, Frankreich und Portugal hatte ihn nicht aus der Bahn geworfen. Vielmehr sind es die Bedingungen mit denen sich Boesen und Co. herumschlagen müssen, die ihm Sorgen bereiten. »Das eine ist, dass ich kein Geld bekomme und keinen Vertrag habe«, so Boesen.
»Doch darum geht es nicht, damit kann ich leben. Aber wir haben beispielsweise keinen Physiotherapeuten, kein Tape für die Mannschaft. Was machen wir also bei einer Verletzung, so wie wir zum Ende unseres EM-Trainingslagers eine hatten?« Vom Verband gab es keine Antwort. Immerhin gab es einen Satz Trikots für die Mannschaft, Sporttaschen jedoch nicht. »Bilal Suman (Trainer des Teams/Red.) und ich leeren vor den Spielen immer unsere privaten Taschen und darin nehmen wir die Trikots mit.« Seit Sommer 2018 ist Boesen an der Seite seines Freundes aus Kolding-Zeiten tätig. Weshalb er den Job angenommen und bis heute trotz aller Widrigkeiten gemacht hat, wollen wir wissen. »Es ist eine Passion, ganz klar. Zunächst sah ich es als interessante Herausforderung an, sich mit dem Team für eine Endrunde zu qualifizieren. Es hat geklappt und danach begannen wir mit den Planungen. Wir hatten gehofft, dass sich der Status Quo ändern würde, aber das war leider nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Am Tag nach der Qualifikation hörten wir, dass die Verbandsführung unzufrieden mit dem Trainerteam sei.«
Als Boesen das erzählte, musste er wieder lachen. Weil es in seine Augen »tragisch« ist und er es nur mit Galgenhumor aushält. Er findet, die Spieler hätten »ein gewisses Potenzial«. Es ist gelungen, die technischen Fehler von 14 auf 10 pro Spiel zu reduzieren. Um den nächsten Schritt zu gehen, um in Europa von den Top 24 in die Top 16 vorzudringen, braucht es nicht viel, aber es »sei unglaublich schwer.« Vor allem wenn der eigene Verband der größte Gegenspieler ist. Boesen erklärt die politischen Hintergründe: »Es gibt drei große Glaubensrichtungen, und die Kroaten sowie Serben im Land wollen nicht, dass das multikulturelle
Bosnien-Herzegowina funktioniert.« Die Handball-Nationalmannschaft steht stellvertretend für diese Kombination, da sich hier die verschiedenen Religionen ohne Streit vereinen. »Wir haben immer gute Stimmung und sind ein gutes Team«, sagte
Benjamin Buric, Starkeeper der SG Flensburg-Handewitt. »Wir sind zur EM gefahren, weil wir an sportlichen Erfolg geglaubt haben. Ob das realistisch war, lässt sich jetzt diskutieren, aber wir sind nicht zum Förde-Cup gefahren, um Bier zu trinken«, so Boesen, der daran zweifelt, ob und wie es mit der Mannschaft weitergeht. »Ich weiß nicht, ob die Spieler bei den nächsten Quali-Spielen dabei sind. Sie geben und geben und bekommen nichts zurück. Es wäre die nächste Herausforderung, zu versuchen, sich für die WM zu qualifizieren und dort den nächsten Schritt zu machen. Doch wenn sich im Umfeld nichts bessert, werden die Spieler kaum dabei sein.« Sein eigenes persönliches Engagement sieht er eng mit dem des Teams verbunden. »Ich kann keine Wohltätigkeitsarbeit in Bosnien verrichten. Einmal ist das in Ordnung, aber nicht dauerhaft, das kann ich gegenüber meiner Familie und meiner Arbeit in Dänemark nicht vertreten.«
Als Trainer möchte Boesen gerne arbeiten. »Ich bin als Funktionär tätig gewesen, habe die sportpolitische Seite kennengelernt und kann sagen: Das ist nichts für mich. Wenn ich etwas im Handball machen möchte, dann als Trainer. Diese Möglichkeit hier hat sich ergeben und ich kann mir gut vorstellen, auf lange Sicht als Trainer zu arbeiten, aber ich habe keinen strikten Karriereplan. Aktuell ist es auch schwierig, da meine Kinder 12 und 15 Jahre alt sind. Es wäre keine gute Idee, sie aus ihrem derzeitigen Leben zu reißen, aber mal sehen was die Zukunft bringt.« Trotz der vielen Herausforderungen ist Boesen von den Menschen und der Kultur in Bosnien-Herzegowina »fasziniert«. Auch wenn alles auf dem Prinzip »last call« basiert, sagt Boesen: »Bosnier haben viel zu geben.« Seine große Hoffnung ist, dass die Entscheidungsträger gesehen haben, dass die Handballer viel gegeben haben. »Es würde mich wundern, wenn sich etwas ändert. Doch wenn es das tut, dann weil wir sportlich etwas bewegt haben. Aber damit etwas passiert, müssen mächtige Menschen gewisse Knöpfe drücken – große Knöpfe. Wir dürfen in Zukunft nicht erst wieder ein paar Tage vor einem Turnier bei Null anfangen, dass geht nicht.«
Ruwen Möller