Handball

Quali-Weltmeister Bult hofft auf den ersten EM-Sieg

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09. Januar 2020, 08:32 Uhr

Mark Bult weiß wie man Titel holt. An der Seite von Maik Machulla (r.) wurde er bereits zwei Mal Deutscher Meister. Mit den Niederlanden nahm er nie an einem großen Turnier teil und bis zu einem Titelgewinn seiner Landsleute ist es ein weiter Weg. Foto: Archiv/dpa

Flensburg. Deutschland gegen die Niederlande. Im Fußball ein Klassiker unter Erzrivalen, auch bei großen Turnieren. Und im Handball? Eine Premieren-Veranstaltung. Wenn sich die beiden Teams am Donnerstag (18.15 Uhr/live ZDF) im norwegischen Trondheim in der EM-Vorrunden-Gruppe C gegenüberstehen, ist es das erste Mal. Kein Wunder, schließlich sind die Niederländer überhaupt zum ersten Mal bei einer Europameisterschaft dabei. Grund genug also, den Gegner etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Zumal Handball in den Niederlanden derzeit boomt. Und wer könnte beide Seiten, vor allem die des DHB-Gegners, besser beleuchten, als ein Niederländer, der seit Jahren in Deutschland lebt und im Handball arbeitet: Mark Bult, Co-Trainer der SG Flensburg-Handewitt. 

Bult ist 85facher Nationalspieler in seinem Heimatland. Er kam 2003 zur HSG Nordhorn und spielte mit einer kurzen Unterbrechung 2010 (Kielce/Polen) bei den Füchsen Berlin, dem VfL Gummersbach und der SG bis 2017 in der Bundesliga. Seither ist er Assistent von Maik Machulla und hat an dessen Seite zwei Mal die Deutsche Meisterschaft gewonnen. 
Für uns gab er vor der EM, die er während der Hauptrunde in Malmö live erleben wird, ein exklusives Interview und erzählte von einem überraschten Niels Versteijnen, seiner eigenen Zukunft und dass er Weltmeister der Qualifikations-Spiele war. 

Flensborg Avis: Im Dezember sind die Frauen der Niederlande Weltmeister geworden. Wann gewinnen die Männer ihren ersten großen Titel oder geht es bei der EM nur darum, überhaupt ein Spiel zu gewinnen?


Mark Bult:Es ist erstmal gut, dass wir überhaupt dabei sind. Natürlich haben wir davon profitiert, dass die EM auf 24 Teilnehmer aufgestockt wurde, aber wir sind dabei. Mir selber war das in meiner aktiven Zeit nie vergönnt. Ich habe nie ein großes Turnier gespielt, sondern immer nur Qualifikations-Spiele. Ich war der Weltmeister der Quali-Spiele und meine Kumpels haben mich deswegen immer ausgelacht. Die Jungs jetzt sollten die EM genießen, vor allem die Spiele gegen Deutschland und Spanien. In den Partien werden sie auch viel lernen, aber es wird darum gehen, sich möglichst teuer zu verkaufen. Gegen Lettland geht es darum, zu versuchen, ein Spiel zu gewinnen, den ersten EM-Sieg zu holen. Aber wann es den ersten Titel gibt, dass kann ich nicht sagen. 

Warum sind die Handball-Frauen in den Niederlanden erfolgreicher, ist Frauen-Handball einfach populärer bei Ihnen in der Heimat? 

Im Frauen-Handball gibt es nur eine handvoll Top-Teams, da ist es leichter ganz nach oben zu kommen, womit ich die Leistung unserer Frauen nicht schmälern möchte. Aber bei den Männern gibt es einfach mehr gute Teams, da ist es viel schwieriger, sich durchzusetzen. Derzeit sind die Frauen natürlich populärer, aber ich hoffe, dass die Männer nachziehen können. Immerhin werden jetzt alle Spiele der EM im TV gezeigt. Sonst haben bei uns Fußball, Eisschnelllaufen und Feldhockey dominiert. Aber ich war über die Feiertage zu Hause und es wird doch sehr viel Werbung für die EM gemacht und bereits im Vorfeld darüber berichtet. 

Nochmal konkret zur Vorrunde – es ist ausgeschlossen, dass die Niederlande gegen Deutschland oder Spanien überraschen werden? 

Sport ist nie planbar, aber die Chancen sind gering. Wenn, dann im Auftaktspiel. Wenn die Jungs alles geben und Deutschland sie unterschätzt, ist vielleicht etwas möglich. Aber Deutschland wird das nicht tun, sie kennen die meisten Spieler aus der Bundesliga und wollen auch gut ins Turnier starten. 

Mit Niels Versteijnen ist ein Flensburger, der seit einigen Tagen ein Zweitspielrecht für Lübeck-Schwartau (wir berichteten) hat, im endgültigen EM-Kader. Was halten Sie von seiner Nominierung? 

Er sollte mich sofort anrufen, wenn der Kader bekannt gegeben wurde und hat das auch getan. Ich habe ihm ehrlich gesagt, dass ich ein wenig überrascht war und er selber war es auch. Mit Kay Smits (Holstebro) und Iso Sluijters (Gronik Zabrze) haben wir zwei gestandene Akteure im rechten Rückraum. Aber Nationaltrainer Erlingur Richardsson plant mit Niels auch als Rechtsaußen, weil er mit Bobby Schagen (Lemgo) nur einen gelernten Außen nominiert hat. Ich freue mich riesig für Niels. Er hat sich im letzten halben Jahr gut entwickelt. Bei uns hat er zwar nicht viel gespielt, doch dafür jetzt den richtigen Schritt nach Schwartau gemacht. Es ist eine gute Entscheidung des Trainers ihn mitzunehmen und ein super Erlebnis für Niels. 

Mit Dani Baijens spielt auch ein Ex-Flensburger im Team. Wie sehen Sie seine Entwicklung? 

Ebenfalls super. Er macht es sehr gut in Lemgo und spielt jetzt seine erste richtige Saison in der Bundesliga. Dani ist viel explosiver geworden und ich bin stolz auf ihn, dass er das geschafft hat. Mal sehen wie viel er spielen wird, schließlich ist Luc Steins (Toulouse) ein richtig guter Mann als Spielmacher. Aber sie werden sich die Anteile womöglich etwas teilen. 

Wer sind Ihre Medaillenkandidaten, wer ist der Titelfavorit? 


Natürlich muss man Dänemark, Schweden und Norwegen nennen. Frankreich hat in meinen Augen ohne Kentin Mahé und Luka Karabatic einige Probleme. Deutschland traue ich das Halbfinale zu, weil Bundestrainer Christian Prokop einen guten Kader zusammengestellt hat. Den Schachzug, Johannes Bitter zurückzuholen, halte ich für schlau, er ist in der Bundesliga Stuttgarts Lebensversicherung und hat viel Erfahrung. Vielleicht gibt es ein Überraschungs-Team, das wäre mal schön, aber ansonsten sind es wohl die üblichen Verdächtigen, die um den Titel spielen. 

Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrer Zukunft. Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus, die SG möchte Sie gerne halten, Sie möchten aber auch irgendwann als Cheftrainer tätig sein. Haben Sie sich bereits entschieden, wie es weitergeht? 

Ich habe im Dezember mit unserem Geschäftsführer Dierk Schmäschke gesprochen und wir sind derzeit im Austausch. Vor der Saison hatte ich ein Angebot aus Nordhorn, um dort Trainer zu werden. Ich habe abgelehnt und aktuell gibt es keine Angebote. Ich möchte gerne in Flensburg bleiben und denke, dass im Januar oder Februar die Entscheidung fällt. 

Ruwen Möller

FAKTEN: Die bisherigen Europameister

Die EM wird erst seit 1994 ausgetragen. Bei der Endrunde in Portugal sicherte sich Schweden den Premierentitel. Der Co-Gastgeber der Endrunde 2020, die erstmals mit 24 Teams in drei Ländern ausgetragen wird, ist mit vier Triumphen auch Rekord-Europameister. 


Die bisherigen EM-Gewinner: 
1994: Schweden 
1996: Russland 
1998: Schweden 
2000: Schweden 
2002: Schweden 
2004: Deutschland 
2006: Frankreich 
2008: Dänemark 
2010: Frankreich 
2012: Dänemark
2014: Frankreich 
2016: Deutschland 
2018: Spanien 
2020: ?