Lösungen dringend gesucht

Ljubomir Vranjes fordert eine Aufstockung der Bundesliga-Kader. (Foto: Tim Riediger)

Flensburg. Es ist und bleibt ein leidiges Thema im Handball: Die Be- bzw. Überbelastung der Protagonisten, also der Athleten. Bei der EM in Polen gab es neuen Zündstoff in der Diskussion, da viele Spitzen-Spieler wie z.B. Rene Toft Hansen, Jerome Fernandez oder Uwe Gensheimer auf Grund von Verletzungen nicht dabei waren und andere wie z.B. Steffen Weinhold oder Christian Dissinger im Turnierverlauf ausschieden. Vorschläge zu Veränderungen gibt es viele, aber wirklich etwas unternommen wurde so gut wie nie. Niemand mag den ersten Schritt wagem, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Interessen - und es steht viel Geld auf dem Spiel. 

Sicherlich, der EM-Spielplan wurde entzerrt und es gab mehr freie Tage als bisher. Es gab dadurch aber auch die Konstellation, dass einige Teams innerhalb von 20 Stunden zwei entscheidende Spiele absolvieren mussten. Ohnehin kann das nur ein kurzfristiger Ansatz der Europäischen Handballförderation gewesen sein. Es muss etwas Grundlegendes passieren. Die beste Lösung: Wie im Fußball Welt- und Europameisterschaften nur alle vier Jahre. Dieser Ansatz darf allerdings getrost als Traumszenario wieder zu den Akten gelegt werden. Es müssen also Lösungen im kleineren Rahmen her. 

THW Kiel-Trainer Alfed Gislason ist einer der klaren Befürworter der Aufstockung von 14 auf 16 Spieler in der Bundesliga. »Es ist doch unverantwortlich, dass ein Großteil der Liga dagegen ist. Diese Fraktion - angeführt von Bob Hanning (DHB-Vizepräsident und Geschäftsführer Füchse Berlin/Red.) - muss sich fragen lassen, ob sie für das Wohl des deutschen Handballs denkt«, so Gislason vor kurzem in einem Interview mit den Kieler Nachrichten. 

Oliver Roggisch, Teammanager der deutschen Nationalmannschaft und Co-Trainer der Rhein-Neckar Löwen, forderte vor der EM im »Mannheimer Morgen«: »Das Programm für die Champions-League-Teilnehmer Flensburg, Kiel und Löwen ist knallhart, die Belastung viel zu hoch. Seit Jahren reden wir darüber, doch es passiert nichts. Wenn man aber jetzt die ganzen Verletzten bei Kiel und den Löwen sieht, ist es an der Zeit, Dinge zu verändern und Lösungen zu erarbeiten, um die Top-Spieler zu entlasten«. 
Damit trifft er einen Teil des Problem-Kerns. Vor allem die Spitzenclubs in Deutschland (einziges Land mit 18 Teams in der 1. Liga) sind durch die meist erfolgreiche Europacup-Teilnahme und zahlreiche Nationalspieler in ihren Reihen besonders arg gebeutelt. Kleinere Vereine haben deutlich weniger Partien zu absolvieren. Im internationalen Vergleich kommt hinzu, dass keine andere Liga das Niveau der Bundesliga hat. Daher können sich europäische Top-Teams wie Paris, Barcelona oder Veszprém im Alltag mehr oder weniger ausruhen. 
Ljubomir Vranjes rechnete auf seiner Facebook-Seite vor, dass lediglich neun (!) der 64 Spieler, die bei der Euro im Halbfinale standen, in der Bundesliga spielen und mit ihrem Verein in der Champions League vertreten sind. Der Trainer der SG Flensburg-Handewitt ist ebenfalls ein klarer Fürsprecher für eine Aufstockung der Kader und wenn ein entsprechender Ausgleich in Sachen Einnahmen gefunden wird, kann sich der Schwede die Bundesliga sogar mit 14 Teams vorstellen. »Das würde wirklich helfen«, so der Schwede. 
»Es gibt die Möglichkeit, die Liga zu verkleinern – und trotzdem kämen die Mannschaften, die nicht international vertreten sind, noch auf ihre Spiele, wenn man Play-Offs um den Klassenerhalt einführt. Dann hätten die Klubs aus der unteren Tabellenregion auch keine finanziellen Einbußen, weil ihnen bei Play-Offs trotz reduzierter Liga keine Heimspiele verloren gingen. Und die Top-Klubs würden auf diese Weise entlastet. Solchen Ideen sollte sich keiner mehr verschließen. Denn so kann es nicht weitergehen«, so Roggisch. 
Das ZDF hat während der EM vorgerechnet, dass ein deutscher Nationalspieler vor 20 Jahren in einer Saison (1995/96) mit einem EM- und Olympia-Jahr auf 67 Spiele kam. In der Serie 2015/16 können es bis zu 80 Spiele werden. Die Meinungen in der Diskussion gehen in Deutschland und international weit auseinander. 
Fakt ist aber: die Grenzen sind längst überschritten und die Gold-Euphorie hierzulande sollte nicht nur dazu genutzt werden, um weitere Top-Handballer hervorzubringen, auch die aktuellen müssen geschützt werden. 
Ansonsten hilft nur die Alternative Karriereende im Nationaltrikot, so wie es z.B. Thomas Mogensen, Holger Glandorf oder Kim Ekdahl du Rietz längst getan haben.

Ansätze im Kleinen: So könnte es gehen

Flensburg. Die Sportredaktion von Flensborg Avis hat sich ebenfalls Gedanken über den internationalen Spielkalender gemacht. Die große Lösung muss heißen: Weniger internationale Endrunden. Da dies wohl kaum zu realisieren ist, reihen wir uns bei den kleinen Idee mit ein. Getreu dem Motto: Kleinvieh ...


Vorschlag 1: Abschaffung des All Star Games. Bei allem Respekt - und vor allem der Euphorie, die am Freitag um da DHB-Team herrschen wird - dieses Spiel braucht kein Mensch!

Vorschlag 2: Umverteilung des Spielplans. Beispiel: Die SG Flensburg-Handewitt hat von Ende August bis Ende Dezember 35 Pflichtspiele absolviert. Kommt die SG im DHB-Pokal und in der Champions League ins Endspiel, können es von Februar bis Anfang Juni maximal 23 werden (gelingt in der Königsklasse der direkte Sprung ins Viertelfinale sind es sogar nur 21). Klar, durch die EM, WM- und Olympia-Qualifikation sind im ersten Halbjahr 2016 deutlich mehr Nationalmannschafts-Termine im Kalender und dennoch wird jeder F-Jugend-Spieler sagen: da stimmt an der Verteilung etwas nicht.

Vorschlag 3: DHB-Pokal. Die Europacup-Teilnehmer müssen wieder mit einem Freilos in mindestens der ersten evt. auch zweiten Runde ausgestattet werden - auch dieser Vorschlag ist alternativlos! Wenn die erste Runde in Form von Final4-Turnieren ablaufen soll, dann bitte nicht vor dem ersten Liga-Spiel, damit die Saisonvorbereitung nicht zusätzlich eingeschränkt wird.

Vorschlag 4: Saisonende. Vorweg: Zu diesem Punkt haben wir uns Inspiration bei Anders Eggert von der SG Flensburg-Handewitt geholt. Der Däne sagt: Das Final4 der Champions League muss ans Ende der Saison gelegt werden, sprich der letzte Bundesliga-Spieltag muss vorher gespielt werden. So könnte alle Bundesligisten, die nicht in Köln dabei sind, frühzeitig in die Sommerpause gehen - recht hat er!

Ruwen Möller