FOTO - WM 2019

Der Beep-Test ging an Norwegen

Überragend: Magnus Rød von der SG. Foto: Lars Salomonsen

Hamburg. Norwegens Coach Christian Berge wollte vorher nichts von Revanche wissen, er bekam sie aber. Und noch mehr. Sein Team gewann mit 31:25 (14:12) im WM-Halbfinale gegen Mitausrichter Deutschland und zog nach 2017 zum zweiten Mal in Serie ins Endspiel einer Weltmeisterschaft ein. Vor drei Jahren bei der EM in Polen hatte Deutschland die Norweger besiegt und sie ins Spiel um Platz drei geschickt. Diesen Gang muss die DHB-Auswahl nun selber angehen. Statt dem Wintermärchen 2.0 gibt es am Sonntag (14.30 Uhr) in Herning die undanbare Partie gegen Titelverteidiger Frankreich. Die Franzosen hatten im ersten Halbfinale gegen Dänemark verloren. Somit kommt es Sonntag um 17.30 Uhr zum großen skandinavischen Nachbarschaftsduell. In der Vorrunde hatte Dänemark diesen Vergleich 30:26 gewonnen. Das Endspiel wird auch ein weiteres Duell der Spieler der SG Flensburg-Handewitt bei diesem Turnier. Auf beiden Seiten stehen vier Akteure des deutschen Meisters im Kader.
Vor den Augen ihres Teamkollegen und 2007-Weltmeisers Holger Glandorf zeigten sie alle starke Halbfinalauftritte. Nachdem das dänische SG-Quartett vorgelegt hatte, ließen sich Torbjørn Bergerud, Gøran Johannessen, Magnus Jøndal und Magnus Rød nicht lange bitten.
Mit sieben Toren war Rød am Ende bester Torschütze seines Teams, er verletzte sich am Ende aber am Knie - ein großer Wrmutstropfen bei diesem großen Erfolg der Gäste. 

Norwegen begann mit Torbjørn Bergerud im Tor. Von der SG Flensburg-Handewitt gehörten außerdem noch Magnus Rød und Magnus Jøndal zur Startformation Gøran Johannessen saß auf der Bank. Während Jøndal als bester Torschütze der Norweger ohnehin Stammkraft ist, hat Rød sich inzwischen Rang eins in der Hierarchie im rechten Rückraum erkämpft. Er erzielte auch gleich das erste Tor der Norweger zum 1:1 (2.). Danach wurde er von Patrick Wiencek umgerissen, doch die Unparteiischen entschieden auf Stürmerfoul. Den nächsten Wurf fischte ihm Andreas Wolff weg. Nach einer Zweiminuten-Zeitstrafe gegen Steffen Fäth verkürzte Jøndal per Siebenmeter zum 2:3 (6.).

Bei Deutschland saß der ehemalige Flensburger zu Spielbeginn auf der Auswechselbank. Kai Häfner durfte anfangen. Nachdem Bergerud einen ersten Wurf von ihm hielt, ging es für Häfner auf die Bank und Rød brachte seine Farben mit dem 4:3 (9.) erstmals in Front.
Deutschland versuchte es wie Dänemark, das in der Vorrunde Norwegen geschlagen hatte, indem es Superstar Sander Sagosen aus dem Spiel nahm. Einziger Unterschied: Während Norwegen gegen die Dänen mit seine rechte Abwehrseite nicht ins Spiel brachte, gelang das heute vorzüglich. Rød traf zum 7:6 (16.). Inzwischen war auch Johannessen im Spiel und auf der Mitte aktiv. Und wie: sein Geschoss schlug zum 8:7 (19.) ein.
Deutschland wechselte im Tor. Silvio Heinetter ersetzte Andreas Wolff. Der Kieler ging sichtlich genervt auf die Bank.
Beim 9:8 leistete sich Jøndal (21.) einen seiner bislang ganz wenig Fehlwürfe in diesem Turnier. Der Linksaußen hat mit die beste Quote aller WM-Spieler, zielte diesmal jedoch übers Tor.

Wie angekündigt

Norwegen gegen Deutschland war ein hitziges Duell. Sander Sagosen und Uwe Gensheimer (r.) sind in Paris Teamkollegen, schenkten sich hier aber nichts. Foto: Lars Salomonsen

Norwegen stellte Deutschland wie angekündigt vor einen Sprinttest. "Wir werden laufen, laufen, laufen", hatte Christian Berge am Donnerstag auf der Pressekonferenz vor dem Halbfinale verkündet. Und der norwegische Nationaltrainer, der von 1999 bis 2006 das Trikot der SG trug, hatte nicht zu viel versprochen. Deutschland versuchte das Tempo mitzugehen, verlor den Beep-Test aber schlussendlich. Die Norweger waren ihnen in Sachen Tempo überlegen. Aus einer beweglichen Abwehr rollte Norwegens Tempospiel und die Gastgeber hatten Mühe hinterher zu kommen. Nach dem 9:11 durch Wetzalrs Kristian Bjørnsen (23.) nahm Bundestrainer Christian Prokop eine Auszeit. Doch es halt nichts. Während sein Team ein Stürmerfoul produzierte, ging Sander Sagosen mit aller Macht in die deutsche Deckung, schaffte Platz für Rød und der hämmerte sein fünftes Tor rein. Im nächsten Angriff wieder ein Fehler der Hausherren und im Zurücklaufen nagelte Uwe Gensheimer seinen Pariser Teamkollegen Sagosen um. Er kassierte ebenso eine berechtigte Zeitstarfe wie Sekunden später der Kieler Hendrik Pekeler, der Bjarte Myrhol nur mit einem Foul stoppen konnte. Jøndal besorgte per Strafwurf die erste Drei-Tore-Führung der Partie. 13:10 (26.) hieß es für die Gäste, Vizeweltmeister von 2017.

Kurz vor der Pause war mächtig Dampf unterm Hallendach in der mit 12.500 restlos ausverkauften Arena. Auch die Norweger kassierten zwei Zeitstrafen und die gesamte deutsche Mannschaft stachelte immer wieder die Fans an, noch mehr Druck auszuüben. Berge hielt mit einer Auszeit dagegen. Heinevetter hielt gegen Jøndal, aber der nächste Angriff des DHB-Teams verpuffte. Jøndal setzte mit einem verwandelten Strafwurf zum 14:12 den Schlusspunkt der ersten Hälfte.

Nach dem Seitenwechsel machte Norwegen sportlich stark weiter - Myrhol per Doppelpack zum 16:13 (34.). Personel gab es eaber einen Rückschlag für die Skandinavier. Rød verletzte sich am linken Oberschenkel. Er musste auf die Bank und bekam einen Verband angelegt. Von der Pressetribüne sah es nach einem Pferdekuss aus. 

Bergerud musste auch auf die Bank, allerdings weil er kaum einen Ball hielt. Espen Christensen von GWD Minden versuchte nun sein Glück.
Norwegen konnte sich auf 19:15 (37.) und 20:16 (40.) absetzten und hatte das Spiel immer mehr im Griff. Deutschland rannte dem Geschehen buchstäblich hinterher. Jøndal stellte auf 21:17 (41.) und das zweite WM-Finale in Folge rückte für die Nordmänner immer näher.
Deutschland verkürzte wieder auf zwei Tore, doch nach dem 22:19 (44.) durch Sagosen sah Pekeler die Rote Karte. Es kassierte seine dritte Zietstrafe und flippte danach völlig aus.
Entwarnung bei Rød - der mischte in der letzten Viertelstunde wieder munter mit. Auf der DHB-Bank machte sich Weinhold bereit. Bevor er auf die Platte kam, wechselte Norwegen seinen Torwart zurück. Bergerud ging wieder zwischen die Pfosten.
Deutschland kämpfte sich wieder ran. Beim Stand von 27:25 (58.) für Norwegen dann ein Schockmoment für die Gäste und die SG. Rød erwischte es nach einem Zweikampf. Er hielt sich das linke Knie und musste gestützt vom Spielfeld getragen werden. Er ging sofort mit den Ärzten in die Kabine. 
Auf dem Feld traf Sagosen zum 28:25 und Bergerud hielt gegen Fabian Wiede - die Vorentscheidung? Norwegen nahm seine letzte Auszeit. Deutschland mit einer offenen Manndeckung, doch Myrhol traf. Berge jubelte auf der Bank und mit ihm sein Team. Als Vorne Deutschland den Ball verlor, war das Spiel entschieden. Sagosen traf und Johannesen setzte den 31:25-Schlusspunkt ins Leere Tor. 

Ruwen Möller

Statistik

Deutschland: Heinevetter, Wolff – Gensheimer 7/4, Lemke, Wiencek, Suton 1, Wiede 5, Pekeler 1, Weinhold, Fäth, Groetzki 2, Häfner, Musche 1/1, Böhm 6, Kohlbacher 1, Drux 1.
Norwegen: Christensen, Bergerud – Sagoesen 6, Myrhol 6, Jakobsen, Overby, Jøndal 4/3, Bjørnsen 3, Gullerud 1, Søgard Johannessen 2, O’Sullivan 1, Tangen 1, Reinkind, Blonz, Rød 7, Lie Hansen.
Zeitstrafen: 7:3.
Siebenmeter: 5:3.
Schiedsrichter: Horacek/Novotny.
Zuschauer: 12.500 (Ausverkauft).