EM 2020

Auf einen Kaffee mit Burić

Flensborg Avis hat SG-Keeper Benjamin Buric auf einen Kaffee getroffen, denn der Schlussmann liebt das schwarze Gold. Foto: Sascha Klahn

Trondheim. »Guten Morgen wie geht´s?«. Benjamin Burić begrüßt Flensborg Avis auch am Tag nach dem EM-Aus von Bosnien-Herzegowina in seiner gewohnt gut gelaunten Art. Es ist 10 Uhr morgens, als wir den Keeper der SG Flensburg-Handewitt im Teamhotel besuchen. Er ist noch etwas müde und daher gefällt es ihm gut, dass wir mit ihm einen Kaffee trinken wollen. 

»Ich liebe Kaffee, trinke fünf, sechs Tassen am Tag«, erklärt uns »Benko« Buric. Im Frühstücksraum lässt er sich einen Espresso mit ein bisschen aufgeschäumter Milch machen. Wir lassen uns in einer Ecke vor einem Panorama-Fenster mit Wasser im Hintergrund nieder. »Aber bitte nicht meine Socken fotografieren«, sagt Buric und zeigt auf seine bunten Strümpfe. 
Wir erklären ihm, dass es in Deutschland einst die Interview-Serie »Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt« mit dem ständig rauchendem Altkanzler gab. In Anlehnung daran wollen wir gerne »auf einen Kaffee mit Burić«, dem Kaffeeliebhaber initiieren.
Burić hört aufmerksam zu und erzählt von seinem Bruder und Vater, die in Bosnien-Herzegowina seit einem halben Jahr Kaffee vertreiben. Benjamin und sein zweiter Bruder, Zwilling Senjamin, der ebenfalls Handball-Profi ist, helfen bei der Vermarktung. »Wir haben eine gewisse Bekanntheit und versuchen so etwas zu tun«, erklärt Burić. Er spricht auch über Politiker, aber nicht solche vom Kaliber wie Schmidt. In seinem Heimatland gibt es laut Burić vielmehr Verantwortliche, die versuchen, eine gut funktionierende Nationalmannschaft zu verhindern. Es gibt verschiedenste Religionen und Kulturen in dem kleinen Land auf dem Balkan. 

»Im Team haben wir gute Stimmung und keine Probleme untereinander, aber übergeordnet wird das nicht akzeptiert.« Diese Einstellungen sind immer noch Nachwehen aus den Jugoslawienkriegen, die der 1990 geborene Buric als kleiner Junge miterlebt hat. »Mein Vater war beim Militär, ist heute teilweise Invalide und meine Mutter war mit uns Kinder alleine. Wir haben einige Jahre eigentlich nur im Keller verbracht«, sagt Burić, der heute noch ab und zu »schlechte Träume« deswegen hat. »Wenn ich das in Flensburg in der Kabine erzähle, kann sich das niemand vorstellen«, erklärt der 29-Jährige, der »froh« ist, dass er und seine Familie heute in Frieden leben können. 

»Dankbar und stolz« ist er auch über das, was er als Sportler erreicht hat. »Mein Traum war es, in Deutschland in der Bundesliga zu spielen. Als ich das erreicht hatte, wollte ich zu einem der besten Vereine. Auch das habe ich geschafft und bin mit der SG Deutscher Meister geworden - ich lebe also meinen Traum«, sagt Buric und erklärt somit, weshalb er immer und in jeder Lebenslage gut gelaunt ist. Außerdem weiß er, dass es im Leben wichtigere Dinge als ein Handballspiel gibt. »Mein Bruder ist jetzt Vater geworden und die Familie steht sowieso über allem bei uns«, so Buric, der sich daher selbst von Niederlagen wie gegen Norwegen (26:32) oder Portugal (24:27) und dem daraus resultierenden EM-Aus seine gute Laune nicht verderben lässt. 
»Keineswegs. Für uns ist das hier trotzdem eine große Sache bei der EM«, sagt Burić, der mit seinem Land vorher nur an der WM 2015 teilgenommen hat. Sein ständiges Lächeln will er aber nicht missverstanden wissen. Er ist ehrgeizig und mit seinem Nationalteam zur EM gereist, um etwas zu gewinnen. Am Dienstag gibt es gegen die ebenfalls ausgeschiedenen Franzosen noch einmal die Chance dazu. Doch Burić ist realistisch und weiß, dass er mit seinen Landsleuten gegen die großen Teams in Europa nur schwer mithalten kann. »Auf mir lastet besonders viel Druck, weil von mir 20 Paraden in jedem Spiel erwartet werden«, so der SG-Torwart, der ohne Zweifel der größte Star in seiner Mannschaft ist. Spiele im Alleingang gewinnen kann er jedoch auch nicht. Im Verein ist das anders, da muss er das nicht, hat mit Norwegens Torbjørn Bergerud einen weiteren Top-Keeper an seiner Seite. »Benko«, der vor Weihnachten seinen Vertrag bei der SG bis 2024 verlängert hat, würde sich freuen, wenn Bergerud es ihm nachtäte. So oder so hat Buric mit der SG noch viel vor, sieht die Chance auf die Titelverteidigung in der Liga als »völlig offen an«. Wann er wieder an der Förde aufschlagen muss, weiß er noch gar nicht. 
»Ich werde jetzt mal mit Maik (Machulla, SG-Trainer/Red.) sprechen und hoffe, dass ich noch ein paar Tage Urlaub bekomme.« Dann möchte er in seiner Heimat auch seine Freundin besuchen. Sie studiert Pharmazie und wenn alles wie geplant funktioniert, wird sie bald nach Deutschland nachkommen. In Flensburg wird Buric sie dann sicherlich auf einen Kaffee in sein Lieblingscafé »PlanB« einladen.

Ruwen Möller