Vereinsleben

Zehn Jahre mehr als Sport

Vereinsleben

03. Juli 2019, 11:44 Uhr

Für Johannes Wollney, Sammy Moysich, Stefan Bruns (von links) und die knapp 230 weiteren Mitglieder des Roten Stern Flensburg, geht es um mehr als Sport. Es geht um Identifikation, um Zusammenhalt und Spaß an der Sache.

Der Rote Stern Flensburg verbindet politischen Aktivismus mit sportlichem Engagement. Wer im Verein ist, hat in der Regel »Bock darauf«, wie die Mitglieder betonen. Am Wochenende wird all das gefeiert.
 

Flensburg. Johannes Wollney, Vorsitzender des Roten Stern Flensburgs, sitzt zusammen mit Gründungsmitglied Stefan Bruns und Mann für alles Sammy Moysich im Tableau, nur knappe 20 Meter von der Wohnung in der Kurzen Straße 4, in der der Verein im Frühjahr 2009 gegründet wurde. Seit zehn Jahren verbindet der Verein politischen Aktivismus mit sportlichem Engagement. Für Rassismus, Sexismus und Homophobie ist bei ihnen kein Platz. Zeit, ein Resümee zu ziehen.

»Der Gedanke etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen, kam eigentlich schon 2007 auf. Wir wollten etwas Eigenes machen, mit Kumpels und Leuten, die man mag und ohne diese ganze Vereinsmeierei«, berichtet Bruns. Über den Namen und darüber, wie man das ganze aufziehen wolle, war man sich relativ schnell einig. Dass es schon andere Vereine mit diesem Namen und ähnlichen Ambitionen und Idealen gab, wie in Leipzig und Lübeck, war damals noch nicht bekannt. Mittlerweile allerdings ist ein ganzes Netzwerk aus rund 20 Roten Sternen in ganz Deutschland entstanden. Rein technisch allerdings stand man damals bei null. Man hatte zwar schnell die nötigen Spieler zusammen, allerdings keinen Sportplatz auf dem man spielen konnte und damit keine Chance, die Mannschaft für den Spielbetrieb anzumelden. »Wir haben alles Mögliche versucht, ohne Erfolg, niemand wollte uns in Flensburg einen Platz zur Verfügung stellen«, erinnert sich Bruns. Eine Woche vor Saisonstart kam dann doch überraschend eine Zusage aus Glücksburg, dass der Verein dort spielen dürfe. Es wurde sich also spontan am Freitag vor Saisonbeginn ein Tag Urlaub genommen und zu dritt nach Kiel zum Landesfußballverband gefahren. In der Tasche 17 Ausweiskopien um die Spielerpässe zu beantragen. In Kiel mussten dann noch Bälle für das erste Spiel am Wochenende gekauft werden und dann ging es auch schon los.

Platzangst

Nach der ersten Saison wurde schon die zweite Mannschaft gegründet. Neben Kickboxen kamen später noch ein Frauenteam, die Altherrenmannschaft »Old Boys«, eine Skate-Sparte, das Rugby-Team »Die Aale«, Dart und Ultimate Frisbee hinzu.
Das Image, das vom Verein ausgeht, scheint zu funktionieren. Der Verein wächst stetig. 230 Mitglieder zählt der Verein mittlerweile, jede Woche kommen zwei, drei, manchmal fünf hinzu. Was einerseits sehr erfreulich ist, andere Vereine würden sich solche Wachstumsraten wünschen, andererseits allerdings zu massiven Platzproblemen führt. Von Glücksburg aus zog der Verein 2011 auf den Sportplatz der Comenius Schule, hier können die Spielerinnen und Spieler allerdings weder die Kabinen und Duschen nutzen, noch verfügt der Sportplatz im Winter über eine Flutlichtanlage. Fürs Wintertraining ziehen sie also jedes Jahr auf den Kunstrasenplatz des TSB Flensburg um. »Hier teilen wir uns an manchen Tagen einen halben Platz mit 40 oder 50 Leuten. Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, vernünftig zu trainieren. Dadurch geht viel kaputt, was wir uns aufgebaut haben. Die Leute kommen, sie haben Lust bei uns zu spielen, aber unter den Bedingungen hauen viele wieder ab. Wenn man ganz ehrlich ist, gibt es momentan keinen Grund zu uns zu kommen, außer dass man sich mit dem Verein und dem, wofür er steht, identifizieren kann«, bemängelt Johannes Wollney.
Die Rugbymannschaft trainiert aus Mangel an Alternativen im Winter sogar am Strand.
Seit geraumer Zeit kämpft der Verein daher um einen eigenen Platz, wenn möglich in der Nordstadt, um hier ihre Jugend- und Integrationsarbeit zu vertiefen. Auch Treffen mit Vertretern der Stadt, mit Bürgermeister Henning Brüggemann und Sportdezernent Stephan Kleinschmidt gab es jüngst, um ihnen ihre Situation zu schildern.
»Es gibt super viele Leute, die zu uns kommen und Bock haben, was zu machen bei genau diesem Verein. So ist die Rugby-Sparte entstanden und auch das Ultimate Frisbee-Team. Das sind die einzigen Sparten in diesen Sportrichtungen nördlich von Kiel. Wir wollen die Vielfalt des Sports fördern, Synergieeffekte schaffen. Wir sehen uns daher nicht als Konkurrenz zu anderen Sportvereinen in der Stadt, sondern als Ergänzung«, erklärt Sammy Moysich.
Es sei der Verein selbst, der Zusammenhalt zwischen den Teams und den verschiedenen Sparten, der die Mitglieder bisher noch bei der Stange hält. Doch wie lange dies noch so weiter gehe, sei fraglich. »Mit den Old Boys haben wir beispielsweise gar keinen festen Platz. Wir suchen für unser Training irgend einen Bolzplatz und hoffen, dass dort dann kein anderer drauf ist«, erzählt Bruns.

Lennart Adam