Im Vergleich zum 32:24-Sieg am Freitag gegen Tschechen (wir berichteten) fand der Linkshänder des THW nicht nur die Abwehrleistung sondern auch »die Zuschauer« besser. Sein Lob an das für ihn im doppelten Sinne Heimpublikum kam mit einem schelmischen Lächeln über die Lippen. Die Stimmungslage des ehemaligen Flensburgers spiegelte das Gesamtbild der deutschen Nationalmannschaft fünf Tage vor WM-Beginn gut wieder. Auch wenn es immer Verbesserungspotential gibt, sportlich und zwischenmenschlich passt es diesmal einfach besser als vor einem Jahr bei der EM in Kroatien, die bekanntlich in einem Fiasko endete. So sieht es auch der Bundestrainer.
»Wir reisen mit einem gutem Gefühl nach Berlin und freuen uns, dass es bald losgeht«, so Christian Prokop. »Kiel hat uns ein tolles Spiel beschert. Nicht nur das Ergebnis stimmte, sondern auch die Art und Weise, wie wir unterstützt wurden.«
Gegen die Südamerikaner, die ohne ihren Superstar Diego Simonet (Aufbautraining nach Handbruch) nie ein echter Prüfstein waren, hatte Deutschland nur bis zum 5:6 (20.) Probleme. Zur Pause stand es 9:6 und bereits da war klar: Die Defensive passt. Im zweiten Durchgang steigerte sich auch der Angriff, und am Ende kam dadurch der Kantersieg zu Stande.
»In der ersten Halbzeit hat unsere Abwehr mit verschieden Varianten bereits funktioniert«, so Weinhold, der aber auch gestand: »Im Positionsangriff können wir uns sicherlich noch verbessern.« Der 32-Jährige baut darauf, dass das ein »Prozess« ist, der sich im »Idealfall während des Turniers« fortsetzt.
Prokop sagte: »Sportlich war es eine zweite Halbzeit, wie wir sie uns im Optimalfall vorstellen. Es war eine konzentrierte Deckung mit verschiedenen Varianten. Dadurch hatte Argentinien einige Probleme und wir konnten unser Tempospiel besser durchbringen und die Partie an uns reißen.«
Seine härteste Prüfung hatte Prokop ohnehin im Vorfeld der Begegnung zu bestehen. Er musste zwei Spieler aus seinem 18-Mann-Kader streichen. Getroffen hat es Tim Sutton (TBV Lemgo) und Tobias Reichmann (MT Melsungen). Während der junge Sutton als Streichkandidat gehandelt worden war, kam das Aus für den Europameister von 2016 für viele überraschend. »Es war eine enge und schwere Entscheidung«, so Prokop, der unterstrich, dass alle 18 Spieler ihren Teil dazu beigetragen hätten, dass das Team heute besser dasteht als vor 12 Monaten. Sein Verzicht auf Reichmann, den er ihm in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt hatte, begründete der DHB-Coach vor allem mit taktischen Aspekten. Mit einem Mann mehr im Rückraum habe er zusätzliche »Variationsmöglichkeiten«. Weitere Details wollte der 40 Jahre alte Trainer nicht bekanntgeben. Am Abend reiste er zu seiner Familie um am letzten freien Tag »abzuschalten«, bevor sich das gesamte Team am Dienstag in Berlin trifft.
Weinhold will am Montag Wäsche waschen und vielleicht noch eine Vorlesung an der Uni besuchen. Dienstag wird er sich mit seinen Kieler Vereinskameraden Hendrik Pekeler, Andreas Wolff und Patrick Wiencek im Auto auf den Weg in die Hauptstadt machen.
»Jetzt kann es endlich losgehen«, so Weinhold, bevor er sich seine Tasche auf den Rücken warf und die fünf Minuten Fußweg zu sich nach Hause schlenderte.
Deutschland:Wolff, Heinevetter; Gensheimer 8/6, Lemke, Wiencek 1, Wiede 1, Pekeler 3, Weinhold 1, Strobel 2, Fäth 3, Groetzki 1, Semper 2, Musche 1, Böhm 2, Kohlbacher 1, Drux 2
Argentinien: Schulz, Maciel 1, F. Fernandez 1, S. Simonet, Pizarro 1, P. Simonet 2, Baronetto 4, Vieyra, Moscariello, J. Fernandez, Carou, Crivelli, Fischer, Martinez 2, Mourino, Parker 1, Bonanno
Siebenmeter: 6/6:1/1
Zeitstrafen:5:4
Zuschauer:9473