Führt durch Leistung
Sein einstiger Mitspieler Jacob Heinl äußerte sogar mal den Verdacht, Weinhold verfüge über gar kein KFZ, weil er bei Wind und Wetter überall mit seinem Fahrrad hinfahren würde. Es gibt eigentlich nur einen Spleen, mit dem Weinhold außerhalb des Handball-Feldes Aufmerksamkeit erhascht. Viele hundert Mützen aller Stilarten befinden sich mittlerweile im Besitz des gebürtigen Franken. Grell und auffallend sind die meisten Modelle. »Ich bin einfach so ein Typ«, sagte Weinhold mit der ihn charakterisierenden gelassenen Art. Auch auf die Berufung zum Kapitän der Deutschen Elite-Auswahl gab es keinen emotionalen Ausbruch. »Es macht mich stolz, aber es ist nicht das Entscheidende. Jeder muss seinen Teil für einen Erfolg beitragen«, erklärte Weinhold trocken. Der Mann aus dem rechten Rückraum ist ein überlegter Mensch, intelligent und humorvoll – nur eben auf eine zurückhaltende Art. Dass Weinhold ein intelligenter Mensch ist, zeigt sich bei der Planung seiner Karriere. Schritt für Schritt erklomm der 29-Jährige die Spitze und erlag nicht wie viele seiner Alterskollegen der Sehnsucht nach schneller Anerkennung – und schnellem Geld. Zu einem richtigen Spitzenverein wechselte Weinhold erst, als er sich 2012 nach den Stationen HSG Nordhorn und TV Großwallstadt reif genug dazu fühlte. »Ich musste ein paar Mal die richtigen Entscheidungen treffen. Das hat gut gepasst«, sagte Weinhold, nachdem er sich auf Anhieb beim THW Kiel durchgesetzt hatte. Im Sommer 2015 war das, als Weinhold in seiner ersten Saison bei den Zebras zum ersten Mal Deutscher Meister geworden war. Ein Jahr zuvor gewann er mit der SG Flensburg-Handewitt, zu der er 2012 gewechselt war, die Champions League. Auf dem Weg zu beiden Titeln war der Linkshänder kein Beiwerk, sondern mitentscheidender Faktor.So ruhig und unspektakulär Weinhold außerhalb des Handballs wirkt, so berauschend und durchsetzungsstark ist mitunter sein Handeln auf dem Feld. Seine Stärke ist der direkte Zweikampf und besonders in den spielentscheidenden Momenten kommt es darauf an, Eins-gegen-Eins-Duelle für sich zu entscheiden. Die Wucht des Halbrechten macht oft den Unterschied, wenn der Spielfluss in den Schlussminuten ins Stocken geraten ist. »Der Steffen wurschtelt sich dann überall durch«, sagt der frühere Nationalspieler Michael Müller von der MT Melsungen anerkennend. Ersatz-Kapitän Weinhold führt durch Leistung – und hat sich dadurch die Anerkennung seiner Mitspieler erworben. »Er ist ein starker Spieler und er ist ein Führungsspieler. Außerdem ist er erfahren und hat in der jungen Mannschaft eine hohe Akzeptanz«, erklärte Bundestrainer Dagur Sigurdsson seine Entscheidung, Weinhold die Armbinde anzuvertrauen. Völlig überraschend kam der Entschluss nicht, schließlich war Weinhold zuvor Vertreter von Gensheimer. Während der EM wird der stille Weinhold Gelegenheit bekommen, die Entscheidung Sigurdssons zu bestätigen – qua Amt ist er der Anführer der Nationalmannschaft.
Michael Wilkening