Judo - der sanfte Weg

Sportartencheck

01.06.2017

Flensburg. Respekt, Ehrlichkeit und Mut sind drei der zehn Judo-Werte, die die Mitglieder der Judoabteilung beim ETSV Weiche Flensburg leben. Sandra Büchler hat diese bis ins Mark verinnerlicht. Sie ist seit über 30 Jahren Judoka. »Wenn meine Mutter gewusst hätte, dass Judo mal eine Sportart ist, die ich nicht nur mal wieder ausprobiere, wäre ich sicher noch länger dabei. Aber so bin ich seit Abteilungsgründung beim ETSV« sagt die 44-Jährige, die ein Freund zum ersten Training der Sparte mitgenommen hatte.

34 Jahre dank Schöttler

Erich Schöttler hat die Judoabteilung 1984 gegründet. Noch immer ist er Spartenleiter und trainiert die Jüngsten im Verein. »Erich macht das mit Leib und Seele. Selbst mit 74 Jahren steht er noch auf der Matte. Ihm haben wir sehr viel zu verdanken«, sagt Büchler, die inzwischen selbst Trainerin ist und jede Woche mindestens zehn Stunden in der Halle steht.Die etwa 100 Mitglieder des Vereins trainieren nach Altersklassen, selten nach Gewichtsklassen. »Das ist das Schöne bei uns. Wir kämpfen alle gegen alle. Da kann auch mal ein 90-Kilo-Mann gegen eine 60-Kilo-Frau trainieren. Das ist aber kein Problem, jeder ist sehr rücksichtsvoll«, erklärt Büchler und fügt schmunzelnd hinzu: »Bei uns gibt es glücklicherweise kein Zickenterror oder Prolls.«Im Gegensatz zum Karate geht es weniger um das Schlagen oder Treten, sondern um das Kämpfen mit Anfassen. Judo steht für sanfter oder flexibler Weg. Zwei philosophische Grundprinzipien liegen dem Judo im Wesentlichen zugrunde. Zum einen das gegenseitige Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen. Und zum anderen der bestmögliche Einsatz von Körper und Geist.

Erfolge

Im Alter von sechs Jahren kann man beim ETSV beginnen, diese Grundprinzipien zu verinnerlichen. Aber auch der Wettkampf kann im Vordergrund stehen, egal, ob es das Erringen der nächsten Gürtelfarbe oder Dans (Meistergrad) ist, oder das Erreichen einer Deutschen Meisterschaft. Wie in vielen Kampfsportarten sieht man an der Gürtelfarbe, wie stark ein Kämpfer ist.Das ist für Büchler, die den vierten Dan hat, eher nebensächlich: »Die Kleinsten fangen mit dem weißen Gürtel an. Es gibt neun Schülergürtel und zehn Meistergürtel, wobei ab dem sechsten Dan die Gürtel verliehen werden. Ich habe im Moment gar keine Zeit mich auf eine Gürtelprüfung vorzubereiten und überzeuge lieber mit guter Technik oder guter Leistung bei Wettkämpfen.«

EM-Teilnahme

Dass sie sehr gut ist, zeigt ihre Berufung in die Deutsche Nationalmannschaft. Anfang Mai durfte sie mit ihrem Partner Christopher Scharf (Westerland) an den Europameisterschaften in Kata teilnehmen, die auf Malta stattfanden (wir berichteten). »Kata ist die zweite Disziplin, die es neben dem Kampf gibt. Es wird auch als die Kür bezeichnet, denn es werden abgesprochene Technikfolgen vorgeführt. Das klingt zwar nicht so anstrengend, aber wir sind nach den zehn Minuten Vorführung richtig durchgeschwitzt.«In der am stärksten besetzten Kategorie »Katame no Kata« mit 26 Teams belegte das Duo Platz 14. Die Sensation gelang dem Team Andreas Ber (ETSV Weiche Flensburg) und Johannes Eidinger ( TSB Flensburg). Die beiden Youngster traten in der Kategorie »Randori no Kata« an und belegten den zweiten Platz. Überhaupt läuft es für die Judokas des ETSV sehr gut. Neben den Kata-Wettkämpfen nehmen die Athleten an normalen Wettkämpfen, dem sogenannten Shiai, teil, bei denen vier Minuten Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau um Punkte gekämpft wird. »Bei den Landes- und Norddeutschen Meisterschaften haben wir immer vordere Platzierungen. Bei Deutschen Meisterschaften gewann Sandra Freyberg zum Beispiel 2013 Bronze, Laura Augustin holte sich sogar gerade Silber«, erzählt die Flensburgerin stolz.

Wunsch nach Aufmerksamkeit

Bescheidenheit ist auch eine der Tugenden der Judokas. Selbst hat Büchler mehrere Jahre Bundesliga (bei der ASG Elsdorf) gekämpft und Titel gewonnen, erwähnt dies aber nur im Nebensatz. Wichtiger ist für sie ihr Verein: »Ich würde mich über mehr Mitglieder freuen. Judo ist ein so toller Sport, es ist anspruchsvoll und spricht den ganzen Körper an. Man kann Judo bis ins hohe Alter betreiben und lernt immer dazu. Es geht immer weiter.«Allerdings hat auch sie, wie viele kleine Vereine oder Sparten mit Alltäglichem zu kämpfen, wie sie erklärt: »Ich würde mich sehr über mehr Anerkennung oder Aufmerksamkeit für meinen Sport und meine Sportler freuen. Für uns ist es sehr schwer, Sponsoren zu finden, da wir in den Medien kaum präsent sind.« Jüngstes Beispiel ist ihre Teilnahme an der EM. »Obwohl wir der Deutschen Nationalmannschaft angehören, bezahlen wir die Reise nach Malta samt Unterkunft selbst. Das ist viel Geld. Glücklicherweise werden wir beim ETSV gut von Harald Uhr unterstützt, sonst wäre vieles nicht möglich.« Grit Jurack