Der Grenzgänger

Fußball

23.08.2017

Ex-Werder-Torart Sebastian Mielitz hat in Dänemark eine neue Aufgabe und an der Flensburger Förde ein neues Zuhause gefunden.
Flensburg. Locker steht er da. Graues Polohemd, schwarze Baumwollhose, schneeweiße Sneaker. Sebastian Mielitz kommt gerade vom Training und hat sich die Zeit für ein Gespräch genommen. Über sein neues Leben als Torhüter von SønderjyskE Fodbold. Die Bundesliga hat er hinter sich gelassen. »Die Verantwortlichen haben nicht locker gelassen und sich sehr um mich bemüht. Daher habe ich mich letztendlich für diesen Schritt entschieden«, erklärt Mielitz seine Beweggründe für das Abenteuer Dänemark. Lyngby statt Leverkusen, Brøndby statt Bayern. Es ist eine andere Fußballerwelt. Mielitz, 28 Jahre alt, galt jahrelang als designierter »Kronprinz« von Tim Wiese bei Werder Bremen. Als der extrovertierte Keeper die Hanseaten dann im Sommer 2012 verließ, schien die Zeit des Brandenburgers gekommen. Zum ersten Mal war er Stammtorhüter, zum ersten Mal wurde auf ihn gesetzt - und zum ersten Mal gab es Gegenwind. 66 gegnerische Bälle musste Mielitz aus dem Netz holen. Zu viele, um unumstritten zu sein. Werder war schon immer ein schwieriges Terrain für Torwarte. »Zu Tim Wieses Zeit sind auch schon 60 Gegentreffer ins Tor geflogen. Man hat halt 80 geschossen und die Spiele 5:4 gewonnen«, so Mielitz rückblickend. Doch die eigenen Tore blieben aus. Als auch noch sein Fürsprecher Thomas Schaaf am Ende der Saison 2012/13 nach 14 Jahren als Trainer gehen musste, wurde die Luft bedrohlich dünn.

Bittere Ausbootung

»Jeder Trainer bringt seine neuen Ideen und Erfahrungen mit. Im Fußball gibt es keine Garantien«, sagt Sebastian Mielitz heute. Er, Vater eines Sohnes, scheint in sich zu ruhen, während er von der bitteren Erfahrung seiner Ausbootung erzählt. Ob ihn »Hygge« schon durchdrungen hat? Jedenfalls scheint das Kapitel für Mielitz abgeschlossen. Robin Dutt setzte seine Nummer eins mitten in der Saison 2013/14 vor die Tür. Und so war im WM-Sommer Schluss für Mielitz an der Weser. Er zog weiter an die Dreisam, wurde aber auch beim ansässigen SC Freiburg nicht glücklich, schon gar nicht zum Start- elfkandidaten. Der ebenfalls neuverpflichtete Roman Bürki entschied das Rennen für sich. Es folgte die nächste Station seiner zur Odyssee mutierenden Suche nach sportlicher Anerkennung, einer fußballerischen Heimat. Bei der SpVgg Greuther Fürth schien man auf ihn wieder zu setzen. Doch auf eine Saison als Stammspieler folgte 2016 die nächste Ausbootung. Das letzte Vertragsjahr erlebte Mielitz nur noch auf dem Papier als Profi. Er schaute in die Abgründe des Fußballerdaseins. Es sei schnell klar gewesen, dass es für ihn in Fürth nicht mehr weitergehe. »Ich habe dort auch keine Zukunft mehr gesehen.« Doch nach wie vor gab es einen Markt für den ehemaligen Junioren-Nationaltorhüter. Gut und gerne hätte Mielitz innerhalb der 2. Liga wechseln können. Auch aus dem Ausland gab es Interesse, aus renommierten Ligen. Doch er wählte einen anderen Weg. Mielitz ging seinen persönlichen Sonderweg.

Anfrage aus Hadersleben

Eines Tages flatterte die Anfrage aus Hadersleben ein. Sebastian Mielitz entschied sich für eine Hospitanz beim Klub aus der dänischen Superliga. Eine Woche SønderjyskE. Alles etwas kleiner - aber auch familiärer. »Der Umgang innerhalb der Mannschaft ist ein ganz besonderer«, so Mielitz. »Das hat mich sehr beeindruckt und mir den Schritt auch nicht so schwer gemacht.« Er scheint in dieses Gefüge zu passen, das spürt man. Menschlichkeit ist ihm wichtig, ein gutes Gefühl - trotz der Härte des Geschäfts. Auch SønderjyskE ist am Ende keine Wohlfühl-Oase, Wettbewerb wird auch in der beschaulichen Provinz in Süddänemark großgeschrieben. Und den hat der Profisportler Sebastian Mielitz für sich entschieden. Seinen Konkurrenten Lukas Fernandes, immerhin Olympia-Teilnehmer mit Dänemark 2016, hat er vorerst ausgestochen. Mielitz ist die Nummer eins. Und die Saison läuft zufriedenstellend: SønderjyskE ist nach sechs Spielen Siebter - direkt hinter Meister und Pokalsieger FC København. Freitag (18 Uhr) geht es gegen OB. »Ich finde, der Fußball in Dänemark wächst. Das Niveau ist sehr gut«, sagt Mielitz, der neben dem sportlichen auch das private Glück gefunden hat. Familie Mielitz hat in Glücksburg ihre Zelte aufgeschlagen, weiß die Ruhe, die Nähe zum Wasser zu schätzen. »Das ist schon eine sehr hohe Lebensqualität«, so Sebastian Mielitz. Zu seinem Arbeitsplatz sind es knapp 70 Kilometer. Er nimmt sie gerne auf sich, um seiner Berufung nachzugehen: Bälle halten. Endlich darf er es wieder. 

Dansk resume

Sebastian Mielitz har stået på mål for de kendte tyske fodboldklubber Werder Bremen, SC Freiburg og Greuther Fürth. Denne sommer har den 28-årige skiftet Bundesligaen med den danske Superliga, hvor han står på mål for SønderjyskE. Sebastian Mielitz bor i Lyksborg og kører de 70 kilometer til sin nye arbejdsplads. Mielitz fortæller til Flensborg Avis, at trænerens tillid er afgørende for en målmand, og at kommunikationen med holdkammeraterne i SønderjyksE hovedsageligt foregår på engelsk. I Flensborg har han allerede fundet en god, spansk restaurant og været tilskuer til en kamp hos SC Weiche Flensburg 08.

Sebastian Mielitz im Interview: »Ohne Vertrauen wird es schwer«

Flensborg Avis: Herr Mielitz, Sie sind im Sommer nach Dänemark zu SønderjyskE Fodbold gewechselt. Wie kam es dazu? Sebastian Mielitz: »Es war klar, dass es bei Greuther Fürth für mich nicht mehr weitergeht. Ich habe dort auch keine Zukunft mehr gesehen. Dann kam das Angebot. Ich war eine komplette Woche dort, habe mir das einfach mal alles angesehen. Ich habe auch die Trainingseinheiten mitgemacht, um einfach auch ein gewisses Gefühl dafür zu bekommen: Wie tickt der Verein? Wie ticken die Verantwortlichen? Das war durchweg positiv und wir haben den Kontakt weiterhin gehalten.« 
Welchen Eindruck haben Sie vom Verein konkret vermittelt bekommen? »Es war sehr gut strukturiert, sehr familiär, auch der Umgang innerhalb der Mannschaft ist ein ganz besonderer. Es wird auch immer so suggeriert, dass die SønderjyskE-Fußballer einen sehr guten Spirit in der Kabine haben, das kann ich nur bestätigen. Das hat mich sehr beeindruckt und mir den Schritt auch nicht so schwer gemacht.« 
Wie läuft es sportlich und persönlich für Sie bei Ihrem neuen Verein? »Erstmal ist es gut, dass ich spiele. Ich habe fast neun Monate kaum Spielpraxis gehabt. Ich habe mich dem Konkurrenzkampf gestellt und ihn für mich entschieden. Ich wusste auch, dass ich das schaffen kann. Bis jetzt läuft die Saison sehr gut. Im Fußball gibt es aber keine Garantien. Ehrlichkeit wird meistens eher oberflächlich bedacht. Das ist ein knallhartes Geschäft, in dem es um Leistung, um viel Geld geht. Wenn man da im Zwischenmenschlichen auf gute Kollegen trifft, ist das viel wert.« 
Wie läuft die Verständigung mit der Mannschaft und dem Trainerteam? Wie steht es um Ihr Dänisch? »Ich mache das hauptsächlich auf Englisch. Das ist ja das Gute an Dänemark, dass die Dänen ein sehr cleveres Völkchen sind und perfekt Englisch beherrschen, viele auch Deutsch. Wir haben noch einen Brasilianer, einen Finnen, einen Isländer, einen Schweden, einen Niederländer im Team - es läuft daher vieles auf Englisch.« 

Erklären Sie uns die Unterschiede zwischen dem Fußball in Deutschland und dem Fußball in Dänemark. »Einerseits ist es das Publikum, das in Deutschland mehr fokussiert auf den Fußball ist. Aber ich muss sagen: Bei unseren Heimspielen sind immer 6000 Zuschauer da, das ist für uns schon eine Menge. In Kopenhagen werden es 15.000-20.000 Zuschauer sein. Ich finde, der Fußball in Dänemark wächst. Das Niveau ist sehr gut. Man kann es aber schwer vergleichen mit der Bundesliga. Ich würde sagen, das Niveau lässt sich mit der oberen Hälfte der 2. Bundesliga vergleichen.« 
In Bremen gab es seit Tim Wiese fünf Wechsel zwischen den Pfosten. Ist der Torwartposten heutzutage anders als früher ein Schleudersitz? Hat sich das Standing von Torhütern generell verändert? »Man sieht am Beispiel Bremen, dass es nicht so einfach ist, sich zu behaupten. Vielleicht ist das Augenmerk auch mehr auf die Torhüter gerichtet. Man muss den Torhütern die nötige Zeit geben. Das ist ein wichtiger - ich finde: der wichtigste - Bestandteil einer Mannschaft. Wenn der nicht diese Rückendeckung und das Vertrauen spürt, dann wird es schwer. Mit SønderjyskE habe ich einen Klub, der mir vertraut, der auf mich baut und das zahle ich mit guten Leistungen auch zurück.« 
Zuletzt haben mehrere »Kinder der Bundesliga« den Sprung nach Dänemark gewagt. Rafael van der Vaart (FC Midtjylland) und Alexander Zorniger (Trainer Brøndby IF) sind die prominentesten Beispiele. Tauscht man sich untereinander aus? »Mein ehemaliger Fürther Teamkollege Benedikt Röcker ist 2016 zu Brøndby gewechselt. Mit ihm habe ich mich natürlich ausgetauscht und er war voller Euphorie. Brøndby ist ein richtig großer Klub in Dänemark. SønderjyskE ist am Wachsen und auf einem sehr guten Weg. Es hat mir den Schritt dorthin auch nicht so schwer gemacht, weil die Nähe zu Deutschland natürlich da ist. Das hat uns als Familie in die Karten gespielt.« 
Sie wohnen in Glücksburg. Warum? »Weil in Flensburg nichts mehr zu haben war (lacht). Wir haben den Wohnungsmarkt sondiert und Glücksburg kam in die nähere Auswahl. Wir haben einen sehr schönen Platz gefunden, wo wir leben und uns entfalten können. Wir haben es nicht weit zur Ostsee, zur Flensburger Förde. Das ist schon eine sehr hohe Lebensqualität.« 
Der Umzug nach Dänemark war keine Option? »Es war so einfacher für die Familie. Ich habe da versucht, Rücksicht zu nehmen auf meine Freundin und auf unseren Sohn. Sie sollen es so einfach wie möglich haben.« Haben Sie sich schon eingelebt? Gibt es bereits ein paar Lieblingsecken in der Region? »Wir haben uns sehr gut eingelebt. Wir sind öfters am Strand in Glücksburg, in Holnis etwa. Wir haben ein nettes spanisches Restaurant in Flensburg gefunden - wir haben schon einige Anlaufstellen.« 
Verfolgen Sie die sportliche Entwicklung in Flensburg? »Ich habe mir das Freundschaftsspiel des SC Weiche Flensburg 08 gegen Hannover 96 angeguckt. Da haben sie sehr gut mitgehalten. Ich habe einige Bekannte in der Region, die sagen, dass sie in den bezahlten Fußball möchten. Da drücke ich die Daumen. Wenn es geht, werde ich mal wieder ein Spiel verfolgen - aber das ist leider nicht so oft machbar.« 
Marco Nehmer

Steckbrief Sebastian Mielitz

• Position: Torwart • Verein: SønderjyskE • Rückennummer: 28 • Geboren: 18.07.1989 • Geburtsort: Zehdenick • Frühere Vereine: TSG Fortuna 21 Grüneberg, Löwenberger SV, Oranienburger FC Eintracht, MSV Neuruppin, Energie Cottbus, SV Werder Bremen (alles Jugend); SV Werder Bremen, SC Freiburg, SpVgg Greuther Fürth • Nationalmannschaft: Deutschland U20 (3 Spiele) • Bundesliga-Spiele: 62 für Werder Bremen • Zweitliga-Spiele: 33 für Greuther Fürth • Erfolge: DFB-Pokalsieger 2009 mit dem SV Werder Bremen

NEUE SERIE (SP)ORTSWECHSEL - Teil 1: Sebastian Mielitz

Nach unserem Sportartencheck starten wir eine neue Serie. In unregelmässigen Abständen treffen wir Sportler aus Deutschland, die in Dänemark aktiv sind und umgekehrt Dänen die in Deutschland Sport treiben - die lokalen Handballer der SG Flensburg-Handewitt mal ausgenommen.  Diesmal: Sebastian Mielitz.