Handball

In einem dunklen Zimmer

Handball

17. Januar 2019, 08:50 Uhr

Die Zeit als aktiver Handballer ist für den ehemaligen Spieler der SG Flensburg-Handewitt, Johan Jakobsson, endgültig vorbei. Eine Gehirnerschütterung zwingt den 32-Jährigen zu diesem Schritt. Archivfoto

Kopenhagen/Göteborg. Johan Jakobsson ist 195 cm groß und bringt 100 Kilo auf die Waage. Ein Baum von einem Mann. Ein Muskelpaket, immer topfit. Seit knapp einem Jahr hat er kein Handball mehr gespielt, sich sportlich überhaupt nur noch wenig bewegt. Viele Stunden und Tage hat er in einem dunklen Zimmer verbracht. Ein paar Wochen vor seinem 32. Geburtstag (12. Februar) muss er nicht nur die WM in Dänemark und Deutschland als Zuschauer verfolgen, er muss jetzt seine Karriere beenden. Das wurde am Mittwoch bekannt (siehe www.fl-arena.de). Kein Achillessehnenriss, keine Knie- oder Schulterverletzung, nein eine Gehirnerschütterung zwingt ihn dazu. Jakobsson will irgendwann wieder ein normales Leben führen. Am Telefon hat er unserer Zeitung ein bewegendes Interview gegeben. 

 

Flensborg Avis: Johan, wie geht es dir? 

Johan Jakobsson: Danke, den Umständen entsprechend. Ich würde lügen wenn ich sage gut. Aber es wird besser. Eine Gehirnerschütterung zwingt dich zum Karriereende. Wie kam es genau dazu? Ich habe mich vor einem Jahr bei der EM im Spiel gegen Frankreich (am 20. Januar 2018 beim EM-Zwischenrundenspiel in Kroatien/Red.) am Kopf verletzt und kann seitdem keinen Profisport mehr betreiben. Ich kann eigentlich fast gar keinen Sport machen. Bei einer Gehirnerschütterung muss man hinterher verschiedene Tests durchlaufen, um zu sehen, ob man wieder fit ist. Anfangs konnte ich tagelang nur in einem dunklen Zimmer ohne Geräusche um mich herum sitzen. Als sich bei mir nach einigen Wochen keine Besserung eingestellt hat, haben die Ärzte mir vom Handball abgeraten. Es tat und tut immer noch weh, aber ich musste mich mit dem Karriereende beschäftigen. Es gab nicht den einen Moment in dem ich gesagt habe: jetzt ist Schluss - es war ein Prozess bis dahin. 

Wirst du irgendwann wieder komplett gesund werden? 
Johan Jakobsson:Das weiß ich nicht, aber ich hoffe es. Bei einem Muskelfaserriss kennst du den Heilungsverlauf, hier nicht. Es ist eher so, als ob einem ein Muskel durchgerissen ist. Du weist nicht, ob du jemals wieder spielen kannst und das ist eigentlich das Schlimmste daran. Es geht in Wellen. Manche Tage sind besser, andere wieder schlechter. Im letzten Sommer konnte ich 10 Kilometer ohne Probleme Joggen, im Herbst dann nicht mehr. Krafttraining kann ich ein bisschen machen, aber ich will irgendwann wieder so trainieren können, dass ich selber weiß, ich bin wieder fit. Im Moment mache ich nur dosiertes Training und immer unter Aufsicht. 

Wäre ein Comeback überhaupt möglich gewesen? 
Johan Jakobsson: Nein. Ich bin jetzt über ein Jahr raus und für mich geht es nur darum wieder ein normales Leben führen zu können. Der Preis wäre zu hoch. Ich habe in meiner Zeit bei der SG bereits eine erste Gehirnerschütterung erlitten und bin danach wieder zurückgekommen. Dafür bin ich dankbar, aber ein zweites Mal will ich das auch gar nicht. 

Bereust du es, dass du nicht beim ersten Mal aufgehört hast? 
Johan Jakobsson: Nein, auch wenn die Situation heute ist wie sie ist, war es schön, noch einmal auf höchstem Niveau spielen zu können. Dafür bin ich dankbar und außerdem stand ich eher am Ende als am Anfang meiner aktiven Karriere. Ich habe bereits einige Meisterschaften gespielt und ein paar Titel gewonnen. Es ist immer noch schwer, aber so fällt das Karriereende leichter. Es ist nur schade, dass ich den Zeitpunkt nicht selber wählen durfte und es ist schade, dass ich vor einem Jahr nicht dabei sein konnte, als wir EM-Silber geholt haben. 

Wie schwer ist es jetzt bei der WM zuzuschauen, kannst du es überhaupt? 
Johan Jakobsson:Es ist schon schwer, aber natürlich gucke ich zu und freue mich für die Jungs. 

Wie weit kann es für Schweden gehen? 
Johan Jakobsson: Die Mannschaft ist gut und das Halbfinale ist drin. Es kommt aber auch den weiteren Weg an. 

Die Zukunft

Wie sieht dein Weg jetzt aus, was machst du heute? 

Johan Jakobsson: Ich arbeite halbtags in einem Ingenieurbüro. Dass hätte ich übrigens so oder so nach meiner Handballkarriere machen wollen, ich bin ausgebildeter Ingenieur. 

Aber nur halbtags? 
Johan Jakobsson: Ja, mehr geht leider noch nicht. Nach einigen Stunden kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Was musst du dann machen, was hilft dir? Manchmal einfach nur ein bisschen frische Luft, manchmal muss ich mich auch hinlegen. Wenn ich unter Leuten bin, merke ich schnell das es mich anstrengt, dann muss ich mich kurz ausruhen. Ein anderes Mal strengen mich Dinge mehr an und ich merke es mehrere Tage lang. 

Was genau, wie muss man sich das vorstellen? 
Johan Jakobsson: Wie einen Muskel der nach einer Belastung ermüdet. Man beansprucht einen Muskel, nicht hochintensiv, aber mit vielen Wiederholungen und irgendwann kann man nicht mehr. 

Hilft dir Medizin oder wie wirst du behandelt? 
Johan Jakobsson: Ich werde von Ärzten überwacht und muss ständig Formulare ausfüllen. Einerseits ist es schön, dass ich keine Medikamente nehmen muss, andererseits wäre es auch schön, wenn es welche geben würde, die helfen. Jetzt hoffe ich, dass mein Karriereende, der Schlussstrich meinem Kopf vielleicht eine Hilfe ist. 

Die Karriere

Jakobsson wechselte im Sommer 2014 vom dänischen Verein Aalborg an die Förde. Mit Aalborg gewann er die dänische Meisterschaft und in Flensburg holte er 2015 den DHB-Pokal. Er wurde an dem Wochenende zum besten Spieler des Final4 in Hamburg gewählt. In seiner Zeit in Deutschland erlitt er vor der WM 2017 seine erste Gehirnerschütterung. Diese zog er sich in einem Testspiel gegen Norwegen zu. Vor zwei Jahren ging es für ihn zurück in die Heimat zu Sävehof wo einst seine Profikarriere begann und 2010 sowie 2011 die schwedische Meisterschaft holte. Im Nationalteam bestritt er 121 Länderspiele und erzielte dabei 266 Tore. Der wurfgewaltige Linkshänder gewann 2012 in London die Olympische Silbermedaille und nahm auch 2016 an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teil. Er gehörte zum EM-Kader 2018 als Schweden EM-Silber holte. Im Finale war er allerdings nicht mehr dabei, da er sich im Hauptrundenspiel gegen Frankreich am 20. Januar 2018 die Kopfverletzung zuzog, die letztlich zu seinem Karriereende führte. 


Ruwen Möller

Steckbrief

Name: Johan Jakobsson

Geburtstag: 12.02.1987 
Geburtsort: Göteborg 
Nationalität: schwedisch 
Vereine: HP Warta (bis 2005), IK Sävehof (2005-2011), Aalborg Håndbold (2011-2014), SG Flensburg-Handewitt (2014-2017); IK Sävehof (2017-januar 2019) 
Länderspiele: 121 für Schweden (266 Tore) 
Erfolge: DHB-Pokal 2015, Olympia-Silber 2012, EM-Silber 2018, dänischer Meister 2013, schwedischer Meister 2010 und 2011